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Qualitätssicherung durch IVR-Systeme

12. Oktober 2016 - 21:36
Dr. Manfred Schröder, Sympalog Voice Solutions

Autor:   Dr. Martin Schröder

Hintergrund

Die Qualität eines IVR-Systems wird von vielen ganz einfach betrachtet: funktioniert oder funktioniert nicht. Hierbei spielen oft technische Aspekte wie Erreichbarkeit, Ausfälle bei TK- und IT-Anbindung und Performance (keine Verzögerung bei der Sprachausgabe) eine maßgebliche Rolle. Mit entsprechender Hardware, Redundanz und Fail-Over-Schaltungen seitens der TK-Anlagen erreicht man inzwischen Verfügbarkeiten von nahezu 100% und so werden IVR-Systeme erst dann wieder wahrgenommen, wenn sie dann doch einmal nicht zur Verfügung stehen.

Unternehmen verzichten häufig auf detaillierte Analysen des IVR- (oder besser des Anrufer-) Verhaltens und ignorieren so eine wichtige Informationsquelle, obwohl im Allgemeinen jeder Anrufer in einem Kundenservicecenter zuerst mit einem IVR-System in Berührung kommt. Folgender Beitrag soll hier Auswertung aufzeigen, die auf Basis von Verlaufsprotokollen des IVR-Systems möglich sind und häufig Verbesserungspotentiale darstellen.

Auswertungen innerhalb eines IVR-Systems

Abbruch des Anrufs

Abbruch bedeutet, dass der Anrufer, während er sich im IVR-System befindet, auflegt, ohne die gewünschte Information erhalten zu haben bzw. ohne einen geeigneten Ansprechpartner zu identifizieren. Eine einfache Zählung und Errechnung einer Abbruchquote ist aber für eine Ursachenanalyse völlig unzureichend:

  • Legt der Anrufer direkt nach der Begrüßung („Willkommen bei dem Unternehmen XY“) auf, hat er wohl eine falsche Nummer gewählt.
  • Legt er während der ersten Ansage auf, ohne sie zu Ende gehört zu haben, muss man davon ausgehen, dass der Anrufer wohl einen menschlichen Ansprechpartner erwartet hatte und nicht glaubt, dass ein IVR-System ihm bei seinem Anliegen weiterhilft.
  • Hört er sich die gesamte Ansage an (eventuell auch noch eine Wiederholung) und legt dann auf, konnte der Anrufer wahrscheinlich sein Anliegen nicht den verschiedenen Optionen, die ihm das IVR-System anbot, zuordnen. Gleiches gilt, wenn er ohne weitere Eingabe bei einem späteren Auswahlmenü (oft auch als Untermenü bezeichnet) den Anruf beendet.
  • Erfolgt der Abbruch dagegen bei einer konkreten Frage nach weiteren Informationen wie z.B. Kundennummer oder Auftragsnummer, kann man davon ausgehen, dass der Anrufer in diesem Moment diese Information nicht zur Verfügung hatte und wohl auch nicht der Meinung war, sie für diesen Telefonanruf zu benötigen.

Grundlage für solche Auswertungen sind relativ detaillierte Protokolle, die genau festhalten, was das System sagen wollte, was es sagen konnte (bis aufgelegt wurde) bzw. welche Eingabe vom Anrufer erfolgte.

Wiederanrufer

Ein Abbruch ist immer ein Zeichen, dass die Erwartungen des Anrufers nicht erfüllt wurden (was natürlich auch an unrealistischen oder falschen Erwartungen des Anrufers liegen kann). Interessant ist aber, was der Anrufer nach seinem Abbruch macht:

  • Er ruft kurz darauf wieder an, nachdem er entweder sein Anliegen nochmal durchdacht und den Möglichkeiten des IVR-Systems zugeordnet oder die notwendigen Informationen wie Auftragsnummer beschafft hat. Da inzwischen in vielen Fällen die Telefonnummer des Anrufenden übertragen wird, kann hier eine relativ einfache Auswertung, wer z.B. es in den nächsten 10 Minuten nochmal versucht, weiterhelfen.
  • Er kann versuchen, über ein anderes Medium (Email, Chat oder klassisch Brief) mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Technisch wäre es ein leichtes, einen abgebrochenen Kontaktversuch an ein CRM-System weiterzuleiten. Wenn es gelingt, dort über die Telefonnummer einen Kunden zu identifizieren, ließe sich über eine Auswertung der verschiedenen Kontakte und Kontaktwege der Vorgang weiter verfolgen.
  • Er unternimmt keine weiteren Schritte. Auch hier lohnt es sich bei entsprechender Identifizierung und Klassifizierung eines Anrufers eventuell nachzuhaken, was der Anrufgrund gewesen war.

Verhalten bei einer Äußerung

Im Allgemeinen kann man eine Ansage eines IVR-Systems durch eine Äußerung oder das Drücken einer Taste unterbrechen („Barge-In“). Durch die Auswertung, ob und wann diese Unterbrechung stattfindet, findet man weitere Punkte zur Optimierung:

  • Bricht die Ansage sofort ab und liefert der Spracherkenner eventuell noch zusätzlich, dass nichts Sinnvolles gesagt wurde, ist anzunehmen, dass der Hintergrundlärm bei dem Anrufer zu hoch ist. Passiert dies häufiger, muss man den Schwellwert, ab wann das System ein „Barge-In“ auslöst, erhöhen. Auch kann der Spracherkenner eingebunden werden, um erst dann zu unterbrechen, wenn nicht nur ein Geräusch, sondern wirklich eine Äußerung vorliegt. Ebenfalls ist es möglich, für die Ansage komplett oder für eine bestimmte Dauer das „Barge-In“ zu unterdrücken, um z.B. das Abspielen rechtlich relevanter Ansagen sicherzustellen.
  • Bricht der Anrufer die Ansage direkt nach Ansage einer Auswahl ab und wählt diese auch, trifft die Formulierung so exakt auf das Anliegen des Anrufers zu, dass er keine weiteren Auswahlmöglichkeiten benötigt.
  • Interessant ist der Fall, dass jemand eine Auswahl trifft, bevor er sie überhaupt gehört hat. Hieraus kann man ableiten, wie vertraut der Anrufer bereits mit dem IVR-System ist und in der Gesamtheit der Anrufe zeigt sich dann das Verhältnis zwischen Erstanrufern (bzw. Anrufer, die nur selten das System benutzen) und „Power-Usern“. Gegebenenfalls bietet es sich an, den „Power-Usern“ verkürzte Ansagen vorzuspielen, um ein unnötiges Wiederholen bereits bekannter Texte zu vermeiden.

Neben der Unterbrechung kann man die Eingabe (entweder per Tastatur oder Sprache) des Anrufers untersuchen. Wenn häufig der Fall auftritt, dass der Anrufer nichts sagt, muss man davon ausgehen, dass der Anrufer die Ansage nicht versteht bzw. nicht weiss, wie er reagieren soll. Wenn er sich dagegen äußert und die Spracherkennung aber Begriffe liefert, die nicht in den Kontext passen, ist es notwendig, die Konfiguration des Spracherkenners zu prüfen. Hier wird man aber nicht umhin können, für einen bestimmten Zeitraum auch eine Sprachaufzeichnung zu aktivieren, um die Reaktionen der Anrufer zu verstehen.

Anrufverlauf

Über die Betrachtung einer Ansage/Äußerung hinaus lohnt es sich, auch einen Blick auf die verschiedenen Dialogschritte eines Anrufs zu werfen. Man kann dann sehr schnell erkennen, welche Pfade von Anrufern besonders häufig verwendet werden. Eventuell lohnt es sich, das IVR-System dahingehend zu optimieren, dass häufig gewählte Ziele schneller erreicht werden, auch wenn sich durch einen zusätzlichen Auswahlschritt die eher wenig gewählten Wege verlängern. Der Einsatz von Spracherkennung erlaubt auch, mehrere Informationen innerhalb eines Schritts abzufragen (Überbeantwortung, z.B. Kontonummer und Pin), was besonders häufigen Benutzern entgegen kommt.

Entscheidend ist hier die Gesamtzeit, die die Anrufer auf einem IVR-System verbringen. Eine Verkürzung der Verweildauer ist nicht nur aus Anrufersicht wünschenswert, sondern spart auch Telefonkanäle auf Unternehmensseite mit entsprechenden Auswirkungen auf die benötigten Ressourcen und Lizenzen.

Auf Basis der Erlang-Formel kann man z.B. ausrechnen, dass bei 500 Anrufen pro Stunde und einer durchschnittlichen Dauer von 120 Sekunden 30 Leitungen notwendig sind, um die Anrufe zuverlässig ohne Wartezeit zu bedienen. Kann man die typische Verweildauer auf 90 Sekunden senken, sinkt der Bedarf um fünf Leitungen.

Ein Zeitfresser im Dialogablauf ist manchmal auch der Abruf von Daten aus einem Backend-System. Wenn z.B. der Aufruf zehn Sekunden dauert und der Dialog ein „Bitte warten. Ihre Informationen werden verarbeitet“ ansagt, ergeben sich z.B. bei 5.000 Anrufen knapp 14 Stunden.

Zusammenfassung

Generell liegen bei einem IVR-System eine Unmenge von Daten vor, die nur in seltenen Fällen systematisch ausgewertet werden. Eine Betrachtung von Kennzahlen über die Zeit oder eine punktuelle tiefgehende Analyse kann aber sehr gut Schwachstellen im Design der IVR-Anwendung aufzeigen und viele Verbesserungshinweise geben. Davon profitieren sowohl der Kunde (durch schnellere und zielgerichtetere Auswahl) als auch das Unternehmen (mehr Selfservice, weniger Rückfragen im Kundenservicecenter bzw. korrekte Zuordnung des Anrufers zu einem Bearbeitungsteam).

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Kundenservicecenter und dem IVR-Anbieter ist aber notwendig, denn häufig müssen die Daten für Auswertungszwecke aufbereitet werden. Die Interpretation der Daten kann auch nur gemeinsam erfolgen: Zum einen sind Detailkenntnisse über die Konfiguration und die Arbeitsweise des Dialogmanagers notwendig, auf der anderen Seite kann man das Anrufverhalten nur aus Unternehmenssicht fachlich beurteilen.

 

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